Wer kein Saatgut hat oder wem das freie Saatgut genommen wird, der kann sich nicht selbst ernähren und gerät in Abhängigkeit von Saatgutkonzernen ‒ mit verheerenden Folgen. Zehntausend Jahre lang war Saatgut, das Keimmaterial der Bäuerinnen und Bauern, frei und größtenteils kostenlos zugänglich. Durch regionale Zucht und den Aufbau von Saatgutbanken gelang es, eine Fülle von Pflanzen zu züchten, die lokal angepasst für aus-gewogene Ernährung sorgten. Damit Kleinbauernfamilien auch künftig ihre Aufgabe als Hüter und Erneuerer der Vielfalt in der Landwirtschaft wahrnehmen können, sind sie auf eben dieses traditionelle Recht angewiesen, Saat- und Pflanzgut selbst aufzubewahren, es wiederzuverwenden, nach eigenem Gutdünken weiterzuentwickeln, es mit anderen Bauern zu tauschen oder zu verkaufen. Das könnte sich mit fortschreitender Harmonisierung und „Modernisierung“ der Regelungen zum Umgang mit Saatgut ändern. So zielt beispielsweise das Übereinkommen des Internationalen Verbandes zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (Union for the Protection of New Varieties of Plants UPOV) von 1991 darauf, die Praktiken, jegliches Saatgut frei zu beziehen, nachzubauen und zu tauschen, ohne Lizenzen an Saatgutkonzerne zahlen zu müs-sen, drastisch einzuschränken. Diese jahrhundertelang erfolgreichen Praktiken, die die Lebensweisen bäuerlicher und indigener Gemeinschaften bis heute prägen, wären mit einem solchen Ab-kommen einem radikalen Wandel unterworfen. Welchen Beitrag Bauern für den Erhalt von Pflanzen und die Welternährung leisten, ist im Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO 2004), kurz „Saatgutvertrag“, beschrieben. Dieser erkennt verbindlich die Rechte der Bauern, sogenannte Farmers’ Rights als Hüter der Vielfalt der traditionellen Sorten und als Züchter neuer Pflanzen an. Das Wissen der Bauern gehört zum Erbe der Menschheit; sie haben nach dem Vertrag das Recht, die genetischen Saatgutressourcen im Sinne der Farmers’ Rights zu nutzen. Doch der Druck der Saatgutindustrie auf die Staaten, die den Vertrag ratifiziert haben, ist groß. Denn die Unternehmen sehen ihr Geschäftsmodell gefährdet und so werden der Saatgutvertrag und die Farmers’ Rights bisher in der Praxis nicht ausreichend angewendet.
Die Broschüre ist hier zu finden: Brot für die Welt