Wechselblicke

Gespräche, Portraits und Texte von und mit Künstler:innen; Autor:innen, Denkern:innen aus dem afrikanischen Kontinent und der afrikanischen Diaspora in Kooperation mit der Online-Kulturplattform faustkultur. Die Reihe spiegelt und deutet auf kritische Weise
afrikanisch-europäsche Verhältnisse um. In biografisch gefärbten
Gesprächen mit dem Gegenüber werden Positonen und Perspektiven
ergründet, welche kreative Potenziale in diesem komplizierten
Beziehungsgeflecht freilegen. Gefragt wird nach Voraussetzungen der
De-Kolonisierung und danach, wie neue Erzählungen die Zukunftsräume bewohnen werden.In Zusammenarbeit mit Muepu Muamba (siehe auch „Moyo„), Schriftsteller, Journalist und Mit-Initiator des Africa Alive Festivals, Frankfurt am Main.

Foto: © Yero Adugna Eticha

Ibou Coulibaly Diop
"Ich liebe Widersprüchlichkeiten"

„Wir müssen verstehen lernen, die Welt nicht einseitig aus der westlichen Perspektive zu deuten und brauchen neue Erzählungen. Es gibt ein bekanntes afrikanisches Sprichwort ‚Until the lion learns how to write, every story will glorify the hunter‘, also sinngemäß: Solange die Löwen nicht ihre eigenen Geschichten erzählen, wird immer der Jäger glorifiziert werden.“

Jürgen Schadeberg
Foto: © Peter Heller

Jürgen Schadeberg
Das Leben fotografieren

Ein Portrait des Meisterfotografen, der im Alter von 89 Jahren am 28. August 2020 gestorben ist.

Aufgeschlagen liegt der umfangreiche Bildband Jürgen Schadeberg mit einer Auswahl seiner Schwarz-Weiß-Fotos auf meinem Schreibtisch. Fast sechzig Jahre fotografisches Wirken blättern sich auf, die Einblicke in das große fotografische Erbe geben, das der Dokumentarfotograf hinterlässt: von den Anfängen des Schwarzen Widerstandes gegen die Apartheid in Südafrika, über den Mauerbau in Berlin, die Depression in Großbritanniens Norden, das London der Siebziger- und Achtzigerjahre bis zum neuen Südafrika.

Foto: © Ibrahima Thiam, Senegal

Aicha Diallo
"Ich bin eine Lehrende und eine Lernende"

„Ja, darum geht es bei allem, marginalisiertes Wissen und Erzählungen sichtbar zu machen, sich Raum für die Individualität und das Kollektive zu schaffen und sich zugleich über die eigene Positionierung gegenüber den hegemonialen Strukturen und dem Wissenskanon klar zu sein und dabei bewegend und beweglich zu sein.“

Maguèye Kassé

Maguèye Kassé
Das Sichtbarwerden der Schwarzen Zivilisationen

„Wir müssen uns doch auf globaler und auf lokaler Ebene den Herausforderungen stellen, die sich in Afrika aktuell verschärft zeigen. Was heißt heute Menschsein? Menschsein in einer Epoche, in der die Umwelt zerstört ist, in der die Wissenschaft missbraucht wird, in der die Rechte bestimmter Gruppen missachtet werden, in der die Kluft zwischen Armen und Reichen immer größer wird. Wir leben in einer Welt, in der unsere berechtigten Forderungen im Nichts verhallen. Woran glaubt man heute? Die Konfrontation mit diesen augenscheinlichen Problemen spielt in der zeitgenössischen Kunst Afrikas eine Rolle.“

Foto: © Henry Roy

Muepu Muamba
Poesie akzeptiert weder Fesseln noch Zwang

Der Schriftsteller und Journalist Muepu Muamba widmet sich im taz-Beitrag zur Frankfurter Buchmesse der Macht der Worte. Er wurde 1946 in dem damaligen „Belgisch-Kongo“ geboren und studierte Soziologie und Journalistik in Belgien. 1968 wurde er aus politischen Gründen aus Belgien ausgewiesen. Daraufhin kehrte er in sein inzwischen unabhängig gewordenes Land, die Demokratische Republik Kongo, zurück und wurde in der Hauptstadt Kinshasa als Journalist, Schriftsteller und Verleger tätig. Mitte der 70er Jahre gründete er in Kinshasa mit einem Freund den Verlag „Les Presses Africaines“. Seine kritische und unbeugsame Haltung gegenüber dem Mobutu-Regime zwang ihn 1979, das Land zu verlassen. Fünf Jahre lang versuchte er vergeblich auf dem afrikanischen Kontinent Asyl zu finden, so dass er am Ende 1984 ins Pariser Exil ging, wo er als politisch verfolgter Autor anerkannt wurde und seine Arbeit fortsetzen konnte. Seit 2000 lebt und arbeitet er in Frankfurt am Main.

Foto: privat

Boniface Mongo-Mboussa
Afrika begehren

„In Paris gibt es nicht einmal mehr ein winziges Inselchen – etwa wie ein Haus für die Kulturen Afrikas. Das kulturelle Afrika ist aus der französischen Öffentlichkeit schlichtweg verschwunden. Ich bin häufig zu Gast im Lateinamerika-Haus und im Haus für die arabische Welt; das sind wichtige Anknüpfungspunkte für einen kulturellen Austausch im Pariser Kulturleben. Ein solches Afrika-Haus müsste in einer Kulturhauptstadt wie Paris, aber auch in Tokyo, in New York doch ganz selbstverständlich sein. Und es könnte genau den wichtigen Rahmen abgeben, um ein anderes Afrikabild präsentieren zu können. Verschwände der Verlag Présence Africaine auch noch, dann existierte in Paris überhaupt kein Ort mehr, um einen konstruktiven Diskurs über „Afrika“ zu führen.

Foto: © Steve Owoundi

Hobskur
Hör auf zu schießen

 „Wenn man die Ursprünge politischer Konflikte vor und nach der Unabhängigkeit auf dem afrikanischen Kontinent genau beobachtet, stellt man mit Bedauern fest, dass diejenigen, die das Einhalten von Gesetzen predigen und vor aller Augen Tribunale inszenieren, die wahren Dirigenten jeglicher Dramen in Afrika sind. Ich bin auch der Meinung, dass die Politik, so wie sie im Westen gedacht wird, den Afrikanern nicht als ein Muster auferlegt werden soll. Um es deutlicher zu sagen: Es ist an der Zeit, dass Frankreich aufhört, der ganzen Welt vorzugaukeln, es sei das Mutterland der Menschenrechte und dass Frankreich sich bemühe, die Länder zu unterstützen, denen es willentlich ihre Unabhängigkeit gewährt hat, obwohl es weiterhin die Fäden zieht und von Paris aus Staatsstreiche und gefälschte Wahlen organisiert.“