Die Interviews

Riccardo M Sahitis

Foto © Alexander Paul Englert
»Die Leidenschaft für die Musik und das Orchester haben mich gerettet«

Riccardo M Sahitis Leidenschaft gilt der Freiheit der Musik, dem großen musikalischen Erbe der Roma und seinem Credo, dass die Roma die wahren Bürger Europas sind. Darüber sprachen wir mit dem in Frankfurt am Main lebenden Dirigenten, aber auch über sein Engagement für die Roma und Sinti Philharmoniker und die Vertreibung seiner Familie aus der serbischen Stadt Kosovska Mitrovica.

Der junge Dirigent verließ deshalb seine Heimat und kam 1992 nach Frankfurt am Main. Seitdem lebt und arbeitet er in der Mainmetropole. Die Anfangszeit war schwer. Trotz sehr guter Referenzen fand er keine Anstellung als Dirigent. Bis seine Frau Elisabeth, die er auf einer Zugfahrt nach Polen kennengelernt hatte, ihm sagte: „Du kannst jetzt entweder den Rest deines Lebens mit Bewerbungen verlieren oder du beschäftigst dich mit den Roma. Du bist Musiker, du bist Rom, und du wirst weitere Roma finden, die Musiker sind.“

Sahiti machte sich auf die Suche und traf andere Roma-Musiker in Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden, Eisenach, Jena, Wien, Leipzig, Bukarest, Budapest und Finnland. Er lud sie nach Frankfurt ein und sie folgten dem Maestro. Alle 60 professionellen Musiker, die heute das Ensemble bilden und an unterschiedlichen Orten in Europa arbeiten, sind Roma und Sinti. Im November 2002 war es so weit. Die Roma und Sinti Philharmoniker gaben – zunächst als Streichorchester – ihr Gründungskonzert. Niemand erwartete damals eine Gage. Die Musiker und Musikerinnen lieben bis heute die Gastfreundschaft ihres Dirigenten und vertiefen sich bei den Proben- und Auftrittstagen in lange Diskussionen über Interpretationen und Musikstile, die bis in den Morgen dauern, sagt Sahiti und lächelt versonnen. Mittlerweile sind die Roma- und Sinti-Philharmoniker weit über Frankfurt hinaus https://www.rsphil.com/ mehr als 50 Mal allein in Deutschland aufgetreten und haben auch vielen anderen europäischen Städten Gastkonzerte gegeben.

Im Jahr 2012 führten die Philharmoniker in der Nieuwe Kerk Amsterdam erstmals das „Requiem für Auschwitz“ von Roger Moreno-Rathgeb auf. Es war der Anfang einer intensiven und freundschaftlichen Zusammenarbeit mit Roger Moreno-Rathgeb und den Roma und Sinti Philharmonikern, der ein Dutzend weiterer Aufführungen in verschiedenen Städten Europas folgen sollten. Die Roma und Sinti Philharmoniker haben sich zum Ziel gesetzt, das „Requiem für Auschwitz“ als Botschaft der Erinnerung, Versöhnung, Völkerverständigung und Hoffnung auf ein harmonisches internationales Miteinander weiter um die Welt gehen zu lassen. Ein wichtiges Signal des kulturübergreifenden Miteinanders setzte die Aufführung des Requiems gemeinsam mit dem Synagogal Ensemble Berlin im Januar 2020 im Berliner Dom – die erste Aufführung der Roma und Sinti Philharmoniker mit einem jüdischen Ensemble. (rsphil.com)