Afrika trägt viele Masken

Die Pflicht zur Einmischung”, der Titel eines Buches des kongolesischen Dichters Muepu Muamba, geht auf ein gleichnamiges Gedicht zurück, in dem er eine Utopie des menschlichen Zusammenlebens entwirft. Diese wird sich jedoch erst dann in Realität verwandeln, wenn Einmischung zur Pflicht erhoben wird.

Auszug aus dem Portrait des Dichters und Freundes, der seit Ende der 1980er-Jahre in Frankfurt am Main lebt.

Muepu Muamba schreibt auf Französisch, die meisten seiner Gedichte hat Maria Kohlert-Németh ins Deutsche übertragen. Im Jahr 1988 veröffentlichte er im Heidelberger Verlag Kivouvou in der Reihe Éditions Bantoues 1988 einen Band mit dem programmatischen Titel „Devoir d’ingérence – Pflicht zur Einmischung“. Der Klappentext deutet auf das spätere literarische Werk des Autors. Darin ist von Schmerz und Trauer die Rede und ein Erinnern an die Verantwortung des Menschen gegenüber anderen Menschen, denn allzu oft führe die Überhöhung des einen Menschen zur Missachtung des menschlichen Gegenübers. Und das führe zwangsläufig zu Grausamkeit.

Pflicht zur Einmischung

An Mavuba
 

Eines Tages
vielleicht morgen
wird Leben sich befruchten
auf der ganzen Erde
aus der Liebesumarmung
Es wird keine
    inneren Angelegenheiten mehr geben
    Zärtlichkeit wird
    M e n s c h und S t a a t
    T o t e n v ö g e l
    von ihrem Sockel stoßen
    das Recht auf Einmischung
    wird zur universellen Pflicht erhoben
    Leiden diese Trübsal die sich
    frisch-fröhlich um uns auftürmt
    endlich entfernt
dann erst wird unsere Welt
    m e n s c h e n – w ü r d i g erstehen

Eines Tages
vielleicht morgen
wird Brüderlichkeit die Zahlung
aller auf den Garten den Herzens
ausgestellten Wechsel einfordern
die Grausamkeit muss notgedrungen
ihre schreckliche Blutschuld begleichen
Es wird keine
    äußeren Angelegenheiten mehr geben
    die Feuerwolke der Liebkosungen
    wird Gleichgültigkeit diesen
    Grabgesang der Seele
    von ihrem Sockel stoßen
    zugunsten der Hilfsbereitschaft
    Den Völkern in Gefahr
    nicht gewährter Beistand
    wird als unsühnbares Verbrechen gelten
dann erst hört Leben auf
    den widerlichen bitteren
    den Aschengeschmack zu haben.

Paris, 24. Januar 1986

Übersetzt aus dem Französischen von Maria Kohlert-Németh.

 Devoir d’ingérence

à Mavuba
Un jour
demain peut-être la vie se fleurira de
l’étreinte de l’amour sur la terre
entière
il n’y aura plus d’affaires intérieures
La tendresse chassera l’homme
et
L’état oiseaux mortuaires de leur
piédestal le droit d’ingérence
deviendra un devoir universel la
souffrance cette désolation qui
s’amoncelle allègrement autour de nous
enfin éloignée alors seulement notre
monde rejaillira pro-homme
un jour
demain peut-être la fraternité exigera
le paiement de toutes les traites
tirées sur le jardin du cœur la
cruauté devra forcément s’acquitter de
sa terrible dette de sang il n’y aura
plus d’affaires étrangères la nuée de
caresses chassera l’indifférence cette
oraison funèbre de l’âme
de son piédestal au profit de la
sollicitude
la non-assistance aux peuples en danger
deviendra un crime inexpiable
alors
seulement la vie cessera d’avoir ce
goût répugnant d’amertume et
de cendre.
 
Paris, le 24 janvier 1986

Die Fotos hat der Frankfurter Fotograf Alexander Paul Englert gemacht.

Im Bild eines wandernden Baumes – der Gedanke an den Baobab, „Baum des Lebens“ liegt nahe –, dessen Wurzeln ein Geflecht mit anderen eingeht, um zu überleben, findet der Dichter im Exil zu sich selbst. Im unbelaubten Zustand erinnert die Baumkrone an ein Wurzelsystem, was zu der Legende beigetragen hat, der Affenbrotbaum sei ein vom Teufel verkehrt herum gepflanzter Baum. Gleichermaßen spendet der geheimnisvolle Baum Schatten, Wasser, Nahrung und Medizin und wird deshalb verehrt. Unter seiner Krone lässt sich gut niederlassen, über Absurdes lachen, Verlorenes betrauern, Träumen nachhängen und auf Hoffnung bestehen – zärtlich und unbestechlich zugleich. Unter einem solchen Baum sitzend, lesend und schreibend stelle ich mir den Dichter Muepu Muamba vor!