„Ich habe keine Angst, mich mit dem auseinanderzusetzen, was ich sehe“

Med Hondo

Filmregisseur, Schauspieler

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Med Hondo – die Jahre unserer Utopien
Eine Hommage an den berühmten Filmemacher

Der mauretanischen Regisseur Med Hondo gehört neben Ousmane Sembene zur Gründungsgeneration des afrikanischen Kinos. Der bis zu seinem Tod in Frankreich lebende Med Hondo setzte sich intensiv mit dem Exil, kolonialem Denken und Rassismus auseinander. Med Hondo kam mit 25 Jahren nach Paris. Muepu Muamba, befragt von Maria Németh, erinnert an den Freund.

Maria Németh: Muepu, wann bist Du Med Hondo begegnet?

Muepu Muamba: Ich hatte das Glück, ihn schon in den 60er Jahren in Frankreich kennenzulernen. Und später, als ich Kongo-Kinshasa verließ und ins Exil ging, und nach meiner langen Irrfahrt durch Westafrika endlich 1984 in Paris angekommen war, habe ich dort gleich zu Med wieder Kontakt aufgenommen. Wir haben uns in Paris im gleichen Künstlermilieu bewegt und gearbeitet, im Milieu der afrikanischen Diaspora.

Was hat Dich an Med Hondo am meisten beeindruckt? Wodurch hast Du dich mit ihm verbunden gefühlt?

Med war ein Mann mit Visionen und Überzeugungen, denen er bis zu seinem Lebensende treu blieb. Ja, seine Klarheit und Aufrichtigkeit waren es, die mich beeindruckten und seine Wünsche und Überzeugungen, was die Zukunft Afrikas anging. Wir nährten uns von den gleichen Hoffnungen und verfolgten die gleichen Ambitionen für den Kontinent wie viele in unserer Generation. Wir waren nicht von Pessimismus bewohnt – im Gegenteil: eher vom Optimismus und Tatendrang beseelt. 

Med hat sich das Theater und dann später den Film als Arbeitsfeld gewählt in Paris. Ich dagegen schrieb weiterhin und machte Videos, die ich schon in Benin mit einem haitianischen Freund, Alix Balin angefangen hatte. Als ich in den späteren 80er Jahren in Deutschland zu arbeiten begann, habe ich meine Kontakte mit Künstlern und Künstlerinnen sowie mit all denjenigen, die ich während meines Aufenthaltes in Afrika getroffen habe, aufrechtgehalten. 

Konntest Du deine Arbeit in Deutschland fortsetzen? 

Ja, Ich wanderte zwischen Paris, Frankfurt oder Brüssel, traf viele Leute, habe viele Aktivitäten mit anderen im transkulturellen Bereich entwickelt und so entstand ein breites Netzwerk. Wir hatten ab den Mitte der 90er Jahre das Africa Alive Festival in Frankfurt gegründet, das nun bereits 26 Jahre lang besteht und afrikanische Kultur mit vielen Facetten aus dem Blickwinkel von Afrikaner und Afrikanerinnen zeigt und aktuelle Fragen der Zeit aufgreift. (africa-alive-festival.de). In diesem Rahmen hat man Med Hondo mehrmals nach Frankfurt zum Festival eingeladen. 2018 haben wir seiner außergewöhnlichen kinematografischen Arbeit eine Retrospektive gewidmet. Leider konnte er aber nicht persönlich am Festival teilnehmen, da sein Gesundheitszustand es ihm nicht erlaubte. Er schickte mir damals das folgende Interview zu…ich dachte nicht, dass es sein letztes sein würde. Hören wir seinen starken und aufrichtigen Worte zu, mit denen er in seinem Leben so vieles bewirkt hat!

 


 

Das Interview mit dem großen mauretanischen Filmregisseur Med Hondo wurde in der Zeitschrift Afrique magazine unter dem Titel “Je n’ai pas peur de traiter ce que je vois“ im Juni 2018 veröffentlicht. Das Gespräch führte Bios Diallo.

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„Ich habe keine Angst, mich mit dem auseinanderzusetzen, was ich sehe“

Med Hondo ist im Mai 1936 als Abib Mohamed Medoun Hondo in Atar, Mauretanien, geboren und entstammt den großen Marabouts der Barikalla. Ende der 50er Jahre wandert er nach Frankreich in die Stadt Marseille aus und arbeitet als Dockarbeiter und Koch, bevor er das Theater, den Beruf des Schauspielers und das Filmgeschäft für sich entdeckt. Er filmt „aufrichtig“, er filmt „hart“, betroffen aus dem Blickwinkel eines Emigranten, eines Schwarzen und eines Afrikaners.

Das Epos beginnt mit Soleil Ô, veröffentlicht im Jahr 1996 und getragen vom Geist der 68er-Generation. Es folgen unter anderen Filmen Sarraouina, Lumière noire und sein letzter Spielfilm im Jahr 1998 Watani, un monde sans mal. Eine engagierte Karriere, die von einer erfolgreichen Karriere als Synchronsprecher gekrönt wird. Er ist die französische Stimme von Eddy Murphy, aber auch die von Morgan Freeman, gelegentlich die von Danny Glover, Richard Pryor und anderen. Er ist auch Rafiki in dem König der Löwen (Disney) oder der berühmte Esel aus Shrek (auch Disney…)!

Seit einiger Zeit hatte sich Med Hondo sehr still gegeben, diskret, abseits der Medien. Bis zu Beginn dieses Jahres 2018. Durch das spannende Restaurationsprojekt, das von The Film Foundation unter dem Vorsitz von Martin Scorsese in Zusammenarbeit mit der Fédération panafricaine des cinéastes (Panafrikanische Föderation der Filmemacher) und der UNESCO getragen wird, rückt Hondos Beitrag zur „positiven“ afrikanischen Geschichte, wieder stärker ins Rampenlicht. Das Publikum kann somit seine Filme Soleil Ô und Lumière noire wiederentdecken. Afrique Magazine hat diesen Mann der wenigen Worte, in seinem Zuhause in Montreuil, in einer Pariser Vorstadt getroffen. Mit seinen 82 Jahren hat sich der Ton seiner Worte nicht geändert: Sklaverei, Immigration, Rassismus, die Resignation afrikanischer Intellektueller, nichts entkommt diesem kämpferischen und ehrlichen Filmemacher.

AM: The Film Foundation stellt Ihre Filme Soleil Ô und Lumière noire wieder in den Vordergrund. Wie reagieren Sie darauf?

Med Hondo: The Film Foundation hat beschlossen, große Filmmacher aus der ganzen Welt zusammenzubringen, sie hat bei ihrer Auswahl von 50 Filmen, die für die afrikanische Geschichte repräsentativ sind, an mich gedacht. Dazu gehören Soleil Ô, Lumière noire und La Noire des verstorbenen Sembène Ousmane. Es ist eine Gelegenheit, dass diese Filme auf Festivals in Amerika, Frankreich, Indien… und Afrika wieder gezeigt werden, hoffe ich! Also freue ich mich sehr, auch wenn ich bedauere, dass die Initiative von einer ausländischen Institution ausgeht.

Ihr letzter Film Fatima, l’Algérienne de Dakar, stammt aus dem Jahr 2004, wie erklären Sie Ihren Rückzug aus der Filmbranche in den letzten Jahren?

Ich bin noch nicht im Ruhestand. In meinem Kopf schwirren ständig Projekte herum. Nur in einer stummen Welt, in der man ständig behindert wird, ist es schwierig… Es gibt Dinge, die ich gerne erreichen möchte, wenn ich es schaffe, die Krankheit zu überwinden und das Alter zu zähmen.

Und wenn Sie Ihre Stimme wiederfinden, wäre es dann immer die Stimme eines Aktivisten?

Ach kommen Sie, ich habe nie meine Stimme verloren! Bezüglich des Begriffs Aktivist naja. Jeder kämpft für etwas. Auch Schweigen ist kämpferisch!

Wie sind Sie zum Film gekommen?

Indem ich meinen Großvater synchronisierte! Mein Großvater mütterlicherseits liebte es, bei festlichen oder traurigen Anlässen zu singen und Geschichten zu erzählen. Durch dieses Spiel tarnte er nicht nur seine Situation als unterwürfiger Haratin [schwarze Einwohner von bestimmten Oasen in Nordwestafrika, Nachfahren von Sklaven, Anm. d. Red.] aber er sagte so auch, was ihm am Herzen lag. In den 50er Jahren arbeitete ich in der Gastronomie in Marseille, und ich war oft empört über das Verhalten meiner weißen Vorgesetzten und einiger Kollegen. Ich war dem Rassismus ausgeliefert, ebenso wie der Sklaverei, deren Narben ich seit meiner Kindheit in Mauretanien trug. Da ich wusste, dass meine Stimme schwach sein würde, wenn ich darüber etwas aussagen wollte, begann ich eine Theaterausbildung und später eine Ausbildung im Film. Um in der Lage zu sein, meine Botschaft mittels Ton und Gesten ans Publikum zu vermitteln. Im Nachhinein mag man es oder man mag es nicht, das wird mich immer kalt lassen!

Soleil Ô ist Ihr erster Schrei. Wie hat sich das entwickelt?

Es ist vor allem ein Schrei der Wut. Etwa 23 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und weniger als zehn Jahre nach der Unabhängigkeit Afrikas war bereits etwas faul im Umgang mit den Einwanderern. Der Geist vom Mai 68 hat mich dazu beflügelt, diesen Film zu drehen, der mir auf der Seele brannte.

„Die Sklaverei ist hauptsächlich eine wirtschaftliche Veräußerung. Es muss echte Befreiungsmaßnahmen geben. „

Sind Ihre Filme ein Sprachrohr für die Unterdrückten?

Ich gehöre dieser unterdrückten und eingewanderten Minderheit an. Ich gehöre zu dieser mauretanischen Kaste, den Haratinen, die man heute hochtrabend „befreite Sklaven“ nennt. Die Haratiner kennen seit jeher die Schikanen der Sklaverei. Und es dauert noch an.

Dauert die Sklaverei heute noch an?

Und wie! In Mauretanien, wie auch anderswo in Nordafrika, ist der schwarze Mann überall ein Opfer von Verachtung allein aufgrund seiner Hautfarbe. Das ist äußerst paradox, denn es waren seine Vorfahren, die Pharaonen, die die Zivilisation erfunden haben. Um auf Mauretanien zurückzukommen, bin ich immer noch traurig über dieses Land. Dies ist eine Nation, die als Modell für Afrika hätte dienen können, aber ungebildete und beraubte Männer und Frauen bleiben unter dem Joch von geschützten Herrschern. Seit 1980 wurden Dekrete zur Abschaffung der Sklaverei erlassen. Es heißt, dass die Sklavenhalter derzeit zu Gefängnis- und Geldstrafen verurteilt werden. Das ist eine Farce! Sklaverei wird sowohl von Arabern als auch von den Fulbe und Soninke praktiziert, die selbst Schwarze sind.

Mit West Indies oder Les nègres marrons de la liberté haben Sie die Sklaverei auf die Leinwand gebracht.

Dieser Film ist eine Verfilmung des Buches Les Négriers des aus Martinique stammenden Daniel Boukman. Noch heute sind die Charterschiffe, die Afrikaner in ihre Heimat schicken, für mich das Abbild von Sklavenschiffen, nur ohne die Ketten. Dabei haben die Vorfahren dieser armen Kerle daran gearbeitet, die Wirtschaft Frankreichs wieder in Gang zu bringen, sie haben auch gegen den Nazi-Feind gekämpft. Und wenn diese Notlagen in der Entwicklung und Sicherheit nicht mehr bestehen, werden sie gebeten zu verschwinden. Das ist feige! Aber Filme, selbst wenn sie eine Wirkung haben, sind nicht ausreichend. Die Sklaverei ist stark durchorganisiert und richtet sich nach starken wirtschaftlichen Bedürfnissen. Ich bin noch nicht im Ruhestand. In meinem Kopf schwirren ständig Projekte herum. Nur in einer stummen Welt, in der man ständig behindert wird, ist es schwierig… Es gibt Dinge, die ich gerne erreichen möchte, wenn ich es schaffe, die Krankheit zu überwinden und das Alter zu zähmen.

Cinéaste rebelle ist der Titel des Buches von Ibrahima Signaté. Trifft dieser Begriff auf Sie zu?

Möge ihm die Erde leicht sein, Signaté. Das war seine Vision, und ich respektiere sie. Meine Kamera bin ich, mit meinen Leiden und Freuden, ohne Heuchelei. Frankreich ist mein Aufnahmeland, und Afrika ist mein geplünderter Kontinent. Ich möchte verstehen, warum wir immer weiter Rückschritte machen, und ich warte auf den Tag, an dem die Afrikaner diese Tatsache verstehen werden.

In unseren Köpfen steckt ein derartiges Kolonialismus-Syndrom, dass uns sogar die Solidarität untersagt ist.

Verspüren Sie Verbitterung angesichts dieser Feststellung?

Der Eindruck des niemals vollendeten Festival mondial des arts nègres in Dakar 1966 liegt mir immer schwer im Magen. Der aus Martinique stammende Yvan Labéjof, der Haitianer Hervé Denis und ich hatten vorgeschlagen, Aimé Césaires Stück Die Tragödie von König Christoph nach Dakar auf eine Tournee durch den afrikanischen Kontinent zu schicken. Doch auch wenn wir das Stück für seine Botschaft und seine Kraft liebten, wussten wir auch, dass es höheren Orts nicht geschätzt wurde. Hinter den Kulissen wurde Césaire von einem solchen Projekt abgeraten! Die Stars von Dakar waren somit Malraux und die anderen. [Stille] Außerdem, auch wenn Douta Seck in der Rolle des Königs meisterhaft blieb, was in Dakar benötigt wurde, war der Diskurs über den Kolonialismus! Paternalistische Ohrfeigen schaffen es immer wieder, uns von uns selbst, von der Essenz unseres Seins zu entfernen. Also haben meine Freunde und ich uns einfach geweigert, nach Dakar zu fahren! Ich werde Césaire dieses Erlebnis immer vorhalten. Es war eine verpasste Gelegenheit, trotz des lauten Geschnarches… Die Einheit der Schwarzen steht nicht bevor, solange der Gipfel nicht in Sicht ist.

Der französische Präsident Emmanuel Macron verspricht mit der „Françafrique“ zu brechen. Glauben Sie daran?

Als die multiethnische und multikulturelle französische Fußballmannschaft an einem gewissen 12. Juli 1998 die WM-Trophäe in die Höhe stemmte, erhofften sich die Menschen einen Mentalitätswandel. Aber die Helden, Kinder von arabischen, schwarzen, polnischen, etc. Einwanderern, zählten nur für die Zeit des Sieges. Was Macron betrifft, so schauen Sie sich nur ein gewisses Frankreich an, das nach dem bitteren Schweiß der Banker riecht, die auf ihre Dividenden setzen. Glauben Sie, dass er sich mit den Geschäftsleuten in Afrika anlegen wird?

Gibt es für Sie keine Veränderung?

Aber wer möchte schon als naiv angesehen werden? Es ist an der Zeit, dass sich die Afrikaner um sich selbst kümmern. Die Menschen haben zu viel ertragen. Schauen Sie sich diese verzweifelten jungen Menschen an, die dem Meer und der Wüste trotzen, auf der Suche nach einem unbekannten Schicksal! Viele sterben wie die Fliegen, andere verschwinden. Es ist beschämend! Es ist an der Zeit, die mutigen Initiativen von Präsident Paul Kagame zu würdigen, der seine Nation nun nach dem Völkermord in Ruanda in Richtung Entwicklung führt. Er zahlt den Preis, denn niemand will ein afrikanisches Land, das sich entwickelt und sich den Anordnungen der westlichen Mächte verweigert. Aber er hält durch! Ich hoffe, dass seine Kollegen durch seinen wirtschaftlichen Erfolg inspiriert werden. Und dass man aufhört, uns für Taugenichtse zu halten.

1998 hatte Ihr Film Watani, un monde sans mal ein singuläres Echo, am Rande der Gedenkfeiern zur Abschaffung der Sklaverei. Warum hat es eine Kontroverse ausgelöst?

Die Slogans zum 150. Jahrestag der Abschaffung der Sklaverei mit den Plakaten „alle, die 1848 geboren sind“ fand ich folkloristisch. Das Fernsehen präsentierte überall Steven Spielbergs Film Amistad, ohne die afrikanischen Filmemacher zu erwähnen, die lange zuvor an dem Thema gearbeitet hatten. Für mich lagen die Dringlichkeiten woanders. Insbesondere bei den illegalen Einwanderern aus der Kirche Saint Bernard in Paris. Um auf Watani, un monde sans mal zurückzukommen, der Film wurde in der Öffentlichkeit mit Absicht behindert. Die damalige Kulturministerin Catherine Trautmann befürwortete eine getarnte Zensurentscheidung der Commission de classification des oeuvres cinématographiques (Filmklassifizierungskommission), die von Gewalt und einem Massenselbstmord sprach. Dabei ging es nur um einen Einblick in den Rassismus in Frankreich. Es gab nicht einen Schuss, keinen Tropfen Blut, geschweige denn besagten Selbstmord…

Sie sind Zensuren gewohnt…

Man hat schon oft versucht, mich zu ertränken, aber ich halte immer noch durch! Bei Lumière noire, in dem es um einen polizeilichen Übergriff auf einem Charterflug mit 101 Maliern an Bord geht, wurde mir das Filmen auf den französischen Flughäfen Charles-de-Gaulle und Orly sowie in den umliegenden Hotels untersagt. Und als der Film veröffentlicht wurde, weigerten sich mehrere Fernsehsender und Kinos, ihn zu zeigen. Es bleibt die uneingestandene Frage: Hat ein afrikanischer Einwanderer das Recht, uns mit seinen Problemen zu belästigen oder uns zu belehren? Und da frage ich mich: Welchen Film kann ein afrikanischer Intellektueller, ein Filmemacher oder ein Schriftsteller, der hier lebt, angesichts dieser Verachtung und dieser Ausgrenzungen, die jeden Tag zunehmen, machen? Eine Liebesgeschichte zwischen einem schwarzen Mann und einer weißen Frau? Ich habe nichts dagegen, aber das bin nicht ich.

Auch Ihr Film Sarraounia: An African Queen wäre fast nicht rausgekommen. Und das nicht nur aus finanziellen Gründen, oder?

Ich war angewidert von dieser Affäre. Die Regierung von Niger war für die Produktion des Films und schloss einen Vertrag mit dem nigerianischen Fernsehen ab. Doch dann, einen Monat vor den Dreharbeiten, wurde mir gesagt, dass der Film nicht in Niger gedreht werden kann! Als ich den Kulturminister traf, sagte er mir: „Es ist eine Frage des „Fond“. Ich antwortete: „Fond, mit d oder s“ am Ende? [Kapital oder Hintergrund] Ich habe niemals eine Antwort erhalten! Enttäuscht fuhr ich nach Burkina. Thomas Sankara, der damalige Staatssekretär, fragte mich, wie weit ich mit dem Film sei. Ich sagte ihm, dass ein Militär im Osten [Seyni Kountché, der damalige Präsident von Niger] sich geweigert hatte, die Drehgenehmigung auf seinem Territorium zu geben. Sankara sagte mir, ohne zu zögern: „Hier ist dein Zuhause. Du kannst filmen, wann immer du willst. Nur ich habe kein Geld, das ich dir geben kann.“ So wurde der Film in Burkina gedreht.

Was glauben Sie, woher der Sinneswandel kam?

Druck von Frankreich auf den Niger. Die Heldin, inspiriert durch den Roman von Abdoulaye Mamani, ist antikolonialistisch eingestellt. Dies stellte die Hegemonie Frankreichs in ihrem Territorium in Frage! Ohne Sankara hätte der Film nie das Licht der Welt erblickt! Er wurde kurz nach der Premiere von Sarraounia ermordet. Sein Antikolonialismus und seine Weigerung, sich zu beugen, waren beunruhigend. Ich weiß nicht, ob er den Film je gesehen hat.

Schon in den 1970er Jahren haben Sie sich mit Themen wie Faschismus, Fundamentalismus und der Jagd auf Migranten beschäftigt. Heute können wir überall in Europa den Aufstieg der extremen Rechten und auf der anderen Seite den Fundamentalismus beobachten. Waren Sie ein Visionär?

Ich behaupte nicht, dass ich ein Visionär bin. Nur die Realität bleibt an mir haften, und ich habe keine Angst, mich mit dem auseinanderzusetzen, was ich sehe.

Wo steht das afrikanische Kino heute?

Nirgendwo. Filmemacher betteln um ihre Filme, besonders in Europa. Es gibt afrikanische Filmemacher, aber kein afrikanisches Kino. Dies ist auf den Mangel an adäquaten Strukturen und Institutionen zurückzuführen.

Unterstützen afrikanische Staatschefs das Kino?

Sie haben Angst vor diesem Werkzeug, und sie fürchten, dass wir Themen ansprechen, die sie verärgern könnten. Sie sind also vorsichtig. Zu Unrecht, wenn Sie mich fragen. Kein Filmemacher will einen Präsidenten der Republik unter Beschuss nehmen. Wir haben Besseres zu tun!

Was ist heute Ihr großes Projekt?

Ein Buch des mauretanischen Dichters und Romanciers Ahmedou Ould Abdelkader auf die Leinwand zu bringen: El Asmamoutakhayira. Das Buch erzählt von der Realität in Mauretanien, von einer revolutionären Bewegung junger Menschen, die ihr Land emanzipieren wollen.

Es bleibt die Frage: „Hat ein afrikanischer Einwanderer das Recht, uns zu belehren?“ Wie sehen Sie die Intellektuellen des afrikanischen Kontinents?

[Lange Stille]. Sie haben ein hartes Leben. Afrika versteht es, seine Genies zu töten. Wenn sie sich skrupellosen Regimen widersetzen, droht ihnen Gefängnis oder Exil. Für viele ist das Schweigen ein „kämpferischer Akt“. Es liegt also an der Diaspora, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen, aber nicht nur um Öl ins Feuer zu gießen.

Sie sind der breiten Öffentlichkeit bekannt, weil Sie vielen amerikanischen Schauspielern Ihre Stimme geliehen haben, darunter auch Eddie Murphy. Wie steht es um Ihre Arbeit als Synchronsprecher?

Ich wurde 1995 mit dem Streik der Synchronsprecher ausgeschlossen. Ich wurde zwei Jahre lang nicht als Eddies Synchronstimme eingesetzt. Also wurde meine Stimme in Metro-Verhandeln ist reine Nervensache nicht gehört. Die verärgerten Kinogänger haben das gefordert. Dank ihnen wurde ich also wieder für Doctor Dolittle verpflichtet. Aber jetzt habe ich schon seit einigen Jahren aufgehört. Man möchte mir Stempel aufdrücken, die ich ablehne. Mich benutzt man nicht!

Wie sieht der Alltag von Med Hondo heute aus?

Ich lese und manage mein Alter! Auch wenn ich nicht viel ausgehe, verfolge ich alles, was vor sich geht. Ich habe positive Kritiken über den Film Black Panther mit der Musik von Baaba Maal, die ich liebe, gehört und gelesen. Sie trägt zur Abschaffung von Vorurteilen gegenüber Afrika und schwarzen Menschen bei, ebenso wie die Popularisierung, die Amzat Boukari-Yabara durch sein Buch Africa Unite! A History of Pan-Africanism [La Découverte, 2014] bewirkt. Er belebt den Panafrikanismus und das positive Bild des schwarzen Mannes. Ein solches Engagement ist seit Malcolm X, Cheikh Anta Diop und Aimé Césaire zurückgegangen. Schwarze Menschen sind es leid, dass man auf sie herabschaut, auf sie spuckt. Mithilfe der neuen Techniken und Werkzeuge können die Ambitionen mutiger sein. Das zeigt Black Panther, indem er die Wissenschaft nicht einfach anderen überlässt! 

Übersetzung: Urielle Christal Kalala


 

Filmografie

Soleil Ô (1967)
Roi de Cordes (1969)
Les Bicots-Nègres, vos voisins (1973)
Nous aurons toute la mort pour dormir (1976)
Polisario, un peuple en arme (1978)
West Indies ou les nègres marrons de la liberté (1979)
Sarraounia (1986)
Lumière noire (1994)
Watani, un monde sans mal (1998)
Fatima, l’Algérienne de Dakar (2004).

 


 

The FILM FOUNDATION

Unter dem Vorsitz des berühmten amerikanischen Regisseurs Martin Scorsese hat diese Non-Profit-Organisation ein Motto: Kultfilme aus der Geschichte des Kinos zu restaurieren, damit sie dem Publikum wieder zugänglich gemacht werden können. So wurden seit 1990 mehr als 800 Filme wieder zum Leben erweckt. Die Restaurierung der Werke von Med Hondo ist Teil des World Cinema Project (WCP), das sich zum Ziel gesetzt hat, „vergessene“ Filme auf der ganzen Welt zu erhalten. Bis heute sind 31 Filme aus Asien, Osteuropa und Afrika restauriert worden. Die Liste ist auf folgender Website verfügbar: www.film-foundation.org