Schlüsselorte

Das literarische Projekt, das auch als autofiktionales Experiment interpretiert werden kann, versammelt vierzehn Autor*innen mit ihren Kurzgeschichten (aus dem Englischen, Französischen, Portugiesischen und Arabischen ins Deutsche übersetzt). Im Zentrum steht die „Erzählung des Selbst“ in ihrer Beziehung zum Erfahrungsraum moderner Urbanität.

Die Anthologie Schlüsselorte, herausgegeben von Fiston Mwanza Mujila, feierte ihre Premiere im August 2023 in Berlin. Der kongolesische Autor, der seit Jahren in Graz lebt und arbeitet, war Gast bei der fünften Ausgabe des African Book Festival stellte das Buch – unterstützt von Leila Aboulela, Niq Mhlongo und Abdelaziz Baraka Sakin, die Beiträge zu dem Band geliefert haben – in der Heinrich Böll Stiftung vor. Ich traf den Autor ein paar Monate später wieder beim Textland Festival 2023 mit dem Thema „Utopie oder die Realität von morgen“. Ein Portrait erschien in Faust-Kultur früher unter dem Titel Weltwortreisender.

Die meisten Autorinnen und Autoren haben ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort in Europa, oft schon seit vielen Jahren. Bis auf eine Autorin kommen alle ursprünglich aus Subsahara-Afrika. Sie bewegen sich zwischen den Kontinenten, eben InterKontinental – so auch der Name des Verlages, der sich mutig auf afrikanische und afrodiasporische Literatur spezialisiert hat und kürzlich erst mit dem Berliner Verlagspreis ausgezeichnet wurde. Ebenso wie ihre Figuren sind sie in Bewegung, sie lassen sich treiben. „Die Stadt präsentiert sich ihnen wie eine Sprache, die sie lesen, dechiffrieren oder dekodieren müssen“. (Roland Barthes) Die Bedingungen im Exil lösen in einigen Texten Situationen existentieller Krisen aus; das Leben im Exil scheint aber auch eine Wahl zu sein, ein neues Paradigma, schreibt der Herausgeber im aufschlussreichen Vorwort: „Weggehen und zurückkommen wohnt dem Wesen jeden Menschen inne. Dieser neue Globalismus ist ein Ort der ständigen Neudefinition von Religion, Herkunft, Geschlecht sowie des Schmelztiegels der Kunst und der Populärkulturen“. Und das zeigt sich wie kaum an einem anderen Ort im Afrotopos Stadt.

Die afrikanische Stadt sei nicht vergleichbar mit der europäischen Vorstellung von moderner Urbanität – auch heute noch nicht. Die großen afrikanischen Städte seien eine Mischung aus kolonialer und postkolonialer Urbanität, im ständigen Wandel begriffen. Kinshasa, zum Beispiel, die quirlige Metropole, sagt Mwanza Mujila, der oft in den Kongo reist, habe einen „ganz besonderen Geruch“, den von gegrillten Maniokblättern und anderen Düften, der sie von Städten in Europa und anderswo unterscheide, ebenso wie die Musik in seinen Ohren und der anhaltende Lärm auf den Straßen. Für einige sei die Stadt ein Ort der Befreiung, wohin die Leute gingen, um ihre Träume zu verwirklichen. Aber sie könne auch ein sehr gefährlicher Ort sein, ein einsamer Ort der Ausgrenzung, der den Verlust der Identität schmerzlich spürbar macht. „In jedem Falle ist die Stadt ein Ausdruck der Modernität und das war für mich ein interessanter Ausgangspunkt für die Anthologie.“

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